|
„Classic meets
Western“
Notizen zum PM/XENOPHON-Seminar in Enspel am 11.6.
Am Anfang war der Unterschied: „Guten
Tag, meine Name ist André Wisser, ich stelle Ihnen heute meine
sechsjährige dunkelbraune Quarterhorse-Stute vor“, und „ich bin
Kristina Kutting und mein Pferd Ambron ist ein sechsjährige
dunkelbrauner Trakehner-Wallach“. Zwei Pferde, zwei Welten –
oder? Weit gefehlt, denn im Lauf der Veranstaltung demonstrierten
beide Reiter auf ihre Weise eindrucksvoll, was pferdegerechtes Reiten
bewirken kann.
Doch vor dem Praxisteil stand der Vortrag von Wolfgang Kutting, dem
die mehr als 70 Zuschauer in der Reithalle in Enspel mit Interesse
und Aufmerksamkeit folgten. Nach einer kurzen Vorstellung der Ziele
und Aufgaben des Vereins XENOPHON befasste er sich mit der
„Biomechanik des Pferdes als Basis jeder pferdegerechten
Ausbildungsmethode“. Wolfgang Kutting verstand es, das
Konstruktionsprinzip des Pferdes und die daraus resultierenden
Konsequenzen für seinen Bewegungsapparat verständlich und
anschaulich vorzutragen. Nicht jedem, der mit Pferden zu tun hat, ist
bewusst, was ein zu enges Einstellen im Hals bei einem Pferd bewirkt.
Was geschieht eigentlich beim „Lösen“ eines Pferdes? Wie verhält
es sich, wenn es durch Handeinwirkung „festgezogen“ wird, eine
falsche Spannung aufgebaut wird? Welche biomechanischen Auswirkungen
haben die Haltung von Kopf und Hals des Pferdes auf die Qualität
seiner Bewegungen?
Mit einfachen Mitteln wie zwei gewundenen
Handtüchern oder einem Bogen mit Sehne, aber auch mit
eindrucksvollen medizinischen Abbildungen gelang es Wolfgang Kutting,
die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Die Teilnehmer waren
aufgefordert, Fragen zu stellen, und machten von dieser Gelegenheit
regen Gebrauch.
|
|
Der
praktische Teil begann nach einer kurzen Kaffeepause und angeregten
Diskussionen damit, dass beide Pferde im Seitenbild zu den Zuschauern
aufgestellt wurden, so dass zunächst die Unterschiede im Gebäude
der Pferde als auch die Gemeinsamkeiten hinsichtlich des
Trainingszustandes und der muskulären Entwicklung verdeutlicht
werden konnten.
Beide Reiter lösten ihre Pferde selbständig, wie
sie es in der täglichen Arbeit gewohnt sind. Hier wurden die
Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Reitweisen deutlich sichtbar.
Beide Reiter arbeiteten an der Losgelassenheit. Beide dehnten ihre
Pferde an die Hand heran, aus aktivem Hinterbein über den
schwingenden Rücken. Beide ritten Trab-Galoppübergänge , die beste
Möglichkeit, die Rückenmuskulatur zu lösen. „Taktmäßige
Bewegungen sind nur dann richtig, wenn sich die Muskulatur des
Pferdes zwanglos und unverkrampft an- und abspannt. Losgelassenheit
und Zufriedenheit des Pferdes sind der Schlüssel zu gutem Reiten,
und zur Gesunderhaltung des Pferdes bzw. Vorbeugung von Erkrankungen
durch chronische Verspannungen oder Fehlhaltungen sind sie zwingend
notwendig“ so Wolfgang Kutting, der immer wieder betonte, dass dies
Prinzipien seien, die schon zu Zeiten des historischen Xenophon
gelehrt wurden und auch heute noch so aktuell sind wie damals.
Der Trakehner, für sein Alter schon weit gefördert,
zeigte sich geschmeidig in den Seitengängen bei schöner
Selbsthaltung, im Galopp mit deutlicher Bergauftendenz und vor der
Senkrechten. Die gut bemuskelte Quarterhorsestute mit ihren eher
flachen Bewegungen bot von ihrem Exterieur her optimale
Voraussetzungen für Schnelligkeit und die extreme Hankenbeugung, die
für den Einsatz bei Spins und Stops erforderlich ist. Dass eine
Trense und ein Gebiss dafür nicht notwendig sind, demonstrierte André
Wisser, der seine Stute auch ohne Zaumzeug sicher an den Kreuz- und
Schenkelhilfen hatte.
Dass bei gut gerittenen Pferden ein Reiterwechsel
kein Problem darstellt, bewiesen Kristina Kutting und André Wisser
beim Pferdetausch. Beide Pferde zeigten sich auch unter dem anderen
Reiter zufrieden und gehorsam. Durch spontane Ermunterung des
Publikums ließ es sich auch der Referent nicht nehmen, selbst in den
Westernsattel zu steigen, um unter viel Applaus aus der
Schrittpirouette einen „Spin“ zu entwickeln.
Das war zugleich der krönende Abschluss einer
rundum gelungenen Veranstaltung, der ersten Kooperationsveranstaltung
dieser Art zwischen den Persönlichen Mitgliedern der FN und Xenophon
e.V., die nach der einhelligen Meinung aller Zuschauer nach
Fortsetzung verlangt.
(Text:
Evelyn Koch)
|
|
|