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Georg W. Finks Kentucky-Tagebuch: Die Kür

Nach zwei Prüfungen mussten die besten Dressurpferde der Welt nochmals an den Start. Freestyle oder Kür, beide Begriffe passen zu den Ritten, die Tausende von Menschen begeisterten. Das große Stadion war das erste Mal fast ausverkauft!
Die ersten Starter ritten in die untergehende Sonne – ein Bild wie auf einer Postkarte! Für Deutschland war Anabel Balkenhol als erste an der Reihe. Sichtbar angespannt versuchte sie, die begeistert klatschenden Zuschauer zu beruhigen – was die Amerikaner nur schwer verstehen konnten. Dablino war in bestechender Form und „Belli“ machte ein hervorragendes Bild. Fast fehlerfrei zeigten sie uns eine schöne Kür, der allerdings noch die spektakulären Höhepunkte fehlten. Es war eine sehr korrekte und schöne Vorstellung, dieses Paar ist aber noch lange nicht an seiner Leistungsgrenze angelangt!
Christoph Koschel mit seinem Donnperignon zeigte eine mutige und insgesamt sehr ansprechende Kür. Der tolle Glanzrappe strahlte im Licht der Scheinwerfer und begeisterte die Zuschauer. Der 10. Platz war aus meiner Sicht ebenso wenig gerechtfertigt wie der 13. Platz von Belli Balkenhol. Beide waren wohl zu wenig „showy“. Gerade in den USA zählt die Show ganz offensichtlich aber deutlich mehr als das korrekte Reiten! Bin ich zu konservativ?
Die dritte deutsche Reiterin, Isabell Werth, spielte ihre große Erfahrung bei solchen Prüfungen voll aus. Gewaltige Höhepunkte konnten jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass Warum Nicht FRH seinen Zenit schon etwas hinter sich hat. Trotzdem eine super Leistung, die mit dem 6. Platz korrekt bewertet war.
Mir unverständlich war die Bewertung des Spaniers Juan Manuel Munoz Diaz mit seinem Iberer Fuego. Zweifelsfrei ein Pferd mit gewaltigen Bewegungen und großer Ausstrahlung. Doch Ritte dieser Art gehören in ein Pferdemusical, eine Hoptop-Show oder in den Zirkus. Es war eindeutig, dass dieser Ritt die Plattform des klassischen, traditionellen Dressursports verlassen hat. Sicher war es beeindruckend, die Schlussphase auf blanker Stange zu reiten. Doch wenn Takt, Versammlung und Losgelassenheit nahezu vollkommen verloren gehen, sollte ein Richterteam nicht vergessen, dass es sich um die Weltreiterspiele handelt und nicht um die „Weltshowreiterei“! Und ein Reiter, der vor lauter Begeisterung beim Schlussgruß fast herunterfällt darf nicht so hoch bewertet werden!
Auch die Platzierung der Niederländerin Imke Schellekens Bartels mit ihrer ständig zu eng gehenden und sehr spannungsgeladenen Hunter Douglas Sunrise war nicht ganz nachvollziehbar. Die Richterwertungen waren überhaupt schwer zu verstehen, so groß waren die Unterschiede der einzelnen Richter. Darüber sollte noch ausführlich diskutiert werden.
Sehr schön dagegen war die Kür von Steffens Peters, der seinen Ravel harmonisch, korrekt und mit sehr viel Ausdruck vorstellte. Hier von einem Bonus zu sprechen wäre unsportlich. Ein tolles Paar, das einfach nur guten Sport zeigt. Kompliment!
Begeistert war ich wieder von Laura Bechtolsheimer. Auch wenn Mistral Hojris nicht ganz so gelassen war wie im Grand Prix Special, so ist das Paar doch ganz oben angelangt. Im Detail fand ich die Kür sogar korrekter, als die von Totilas. Die Notendifferenz von über 6 % ist nicht zu erklären. Diese beiden Paare sind wesentlich dichter zusammen.
Das ganze Stadion fieberte der Kür von Totilas entgegen. Eine unglaubliche Spannung lag in der Luft, als das beste Dressurpaar aller Zeiten in das Stadion kam. Bei der Grußaufstellung hätte man eine Stecknadel fallen hören. Schwungvoll, ausdrucksstark und mit den höchsten Schwierigkeitsgraden war es zweifellos die beste Kür aller Teilnehmer. Die Stärken und Höhepunkte glichen sogar die kleinen Fehler aus, die Totilas unterliefen. Ein Aufstöhnen ging durch das Stadion, als er im starken Trab angaloppierte und einen fliegenden Wechsel nachsprang. Totilas und Edward Gal waren an diesem Abend das weltbeste Paar! Es war ein Erlebnis, dicht dabei sein zu dürfen und diese einmalige Vorstellung miterleben zu dürfen.
Mein Fazit:
Unsere Reiterinnen und Reiter haben alles gegeben. Sie waren unter den besten 15 Reitern der Welt vorne mit dabei. Sie haben gezeigt, dass wir auf dem Weg zurück zur Weltspitze sind. Geben wir unseren jungen Reitern und Pferden noch etwas Zeit, das deutlich erkennbare Potential noch weiter zu entfalten. Und wünschen wir Isabell Werth ein tolles Nachwuchspferd für den ganz großen Sport – sie ist immer noch die Grande Dame des Dressursports!
Die Weltreiterspiele in Kentucky waren ein Highlight des Pferdesports – sie haben aber auch gezeigt, dass es den perfekten Ritt nicht gibt! Und das ist gut so, das macht unseren Sport so faszinierend!


Euer Georg Fink