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Kronberg: Nachlese der FN

Medaillenflut für deutsche Junioren und Jungen Reiter


Kronberg. Es waren die erfolgreichsten Dressureuropameisterschaften für die deutschen Nachwuchsreiter seit Jahren: Erstmals seit 2002 holten sowohl die Junioren als auch die Jungen Reiter den Titel in der Mannschaftswertung und setzten mit den Goldmedaillen in der Einzelwertung und in der Kür für Charlott Maria Schürmann (Gehrde) mit World of Dreams bei den Junioren und Fabienne Lütkemeier (Paderborn) mit D'Agostino bei den Jungen Reiter noch einen drauf. Hinzu kam zwei Mal Einzel-Silber für Sanneke Rothenberger (Bad Homburg) mit Deveraux OLD. „Es tut mir ja schon fast ein bisschen leid für die anderen, dass wir hier alle Goldmedaillen geholt haben, aber ich finde auch, dass wir in der letzten Woche in Aachen oft genug die niederländische Nationalhymne gehört haben“, sagte Breido Graf zu Rantzau (Breitenburg), Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) schmunzelnd angesichts der Erfolge der deutschen Nachwuchsreiter.
Den beiden deutschen Mannschaften gelang vom Fleck weg ein guter Start. Fabienne Lütkemeier mit D'Agostino, Sanneke Rothenberger mit Deveraux OLD, EM-Newcomerin Stella Charlott Roth (Alsbach-Hähnlein) mit Diva Royal und Louisa Lüttgen (Kerpen) mit Habitus holten Teamgold bei den Jungen Reitern. Charlott Maria Schürmann mit World of Dreams, Jill de Ridder (Aachen) mit Charmeur, Sophie Holkenbrink (Münster) mit Show Star, und Florine Kienbaum (Lohmar) mit Good-Morning M siegten bei den Junioren. Das i-Tüpfelchen daran: In beiden Fällen gab es kein Streichergebnis. So werden laut Reglement zur Errechnung des Teamergebnisses die besten drei Ergebnisse der vier Mannschaftsreiter herangezogen. „Wir hatten jeweils zwei Paare unter den ersten drei und zwei Paare punktgleich auf Platz fünf. Damit hatten wir kein ‚schlechtestes’ Ergebnis, sondern alle waren am Mannschaftsergebnis beteiligt“, freute sich Kerstin Holthaus (Stödtlen) von der FN-Bundesjugendleitung über diesen Zufall, der sogar gleich zwei Mal auftrat. Jeweils Silber ging an die Teams aus den Niederlanden, zwei Mal Bronze holten sich die dänischen Reiterinnen.
Dominierendes Paar bei den Junioren waren die 17-jährige Charlott Schürmann und ihr gleichaltriger Hannoveraner Hengst World of Dreams („Woody“). Sie erzielten nicht nur in der Mannschaftsprüfung das beste Ergebnis (73,459), sondern sicherten sich auch in der Einzelwertung (74,053) und in der Kür die Goldmedaille (78,3). „Es ist unglaublich, ich kann es kaum beschreiben“, sagte die frisch gebackene Triple-Europameisterin. Mit ihrem Erfolg setzte sie die Tradition von Sanneke Rothenberger fort, der 2008 und 2009 der Hattrick bei den Junioren gelungen war. Jeweils Silber ging an die Dänin Catherine Dufour mit dem erst siebenjährigen Fuchswallach Atterupgaards Cassidy (73,842 und 77,7), zwei Mal Bronze durfte die Niederländerin Danielle Houtvast mit Rambo in Empfang nehmen (73,421 und 76,9). Für die größte Überraschung aus deutscher Sicht sorgte EM-Debütantin Sophie Holkenbrink. Mit dem gekörten Oldenburger Hengst und ehemaligen Bundeschampion Show Star hatte sie sich in der Mannschaftsprüfung noch mit Florine Kienbaum mit Good-Morning M den fünften Platz geteilt (70,649). In der Einzelwertung verpasste sie nur knapp einen Medaillenrang und wurde mit ihrer persönlichen Bestleistung von 71,632 Prozentpunkten Vierte. In der Kür am Sonntag musste sie als letzte Starterin aufs Viereck und wurde Sechste (72,65). „Heute war ein bisschen die Power raus“, sagte die 17-Jährige. „Aber ich bin total zufrieden mit meinen Ergebnissen. Eigentlich habe ich gar nicht damit gerechnet, dass ich in die Kür komme. Wenn mir vorher einer gesagt hätte, dass ich hier Vierte, Fünfte und Sechste werden würde, hätte ihn wahrscheinlich ausgelacht.“ Wie ihre Teamkollegin Charlott Maria Schürmann wird sie von Oliver Oelrich (Lengerich/Wechte) trainiert, der damit nicht nur seinem Ruf als „Pferde-Ausbilder“, sondern auch als „Reiter-Ausbilder“ weiter gerecht wurde. Knapp einen Platz in den Top Ten verpasste Jill de Ridder mit dem von ihren Großeltern gezogenen Carabas-Nachkommen Charmeur. In der Mannschaftswertung hatte sie noch als zweitbeste Deutsche Platz drei belegt (71,73). In der Einzelwertung wurde sie dann jedoch Siebte (70,579), in der Kür wurde sie Elfte (70,850). Nicht ins Finale einziehen durfte Florine Kienbaum. Auch für sie war es der erste Start bei einer Junioren-EM. In der Einzelwertung war sie als letzte Starterin aufs Viereck gegangen und hatte Platz 14 belegt (68,0). Damit wäre sie zwar für die Kür der besten 15 qualifiziert gewesen, scheiterte jedoch an der Klausel, dass das Finale auf drei Paare pro Nation beschränkt ist.
Bei den Jungen Reitern traf dieses Schicksal Louisa Lüttgen mit Habitus. Die sechsmalige EM-Teilnehmerin hatte sich in der Mannschaftsprüfung noch Platz fünf mit Stella Charlott Roth geteilt (71,895), landete in der Einzelwertung jedoch auf Platz zwölf (70,158) und verpasste damit den Start in der Kür. „Ich bin aber trotzdem zufrieden. Ich hatte einfach ein paar Fehler“, sagte Lüttgen nach ihrem Start und ließ sich nicht davon abhalten, zusammen mit ihren Mitstreiterinnen samt Mannschaftsführung beim Nationenabend das errungene Teamgold zu feiern. Wegen des Unwetters war dieser traditionelle Programmpunkt der EM, bei dem sich alle teilnehmenden Nationen mit einer Showeinlage präsentieren, auf den Samstagabend verschoben worden. Bei ihren Auftritten ließen sich die Deutschen vom Erfolg Lena Meyer-Landruts in Oslo inspirieren und interpretierten deren Hit „Satellite“ mit neuem Text.
Dass Feiern und Reiten sich nicht ausschließen, bewies am Sonntag Fabienne Lütkemeier mit D'Agostino. Vor der immer voller werdenden Tribüne verteidigte die Preis-der-Besten-Siegerin und Vorjahres-Küreuropameisterin erfolgreich ihren Titel und krönte damit ihr letztes Junge-Reiter-Jahr mit dem Gewinn von Mannschafts- und zwei Mal Einzelgold (75,316 / 77,895 und 79,350). „Wir hatten hier so viele brillante Junge Reiter und Pferde. Dass ich gewonnen habe, ist wie ein Traum“, sagte sie. Zwei Mal Silber in der Einzelwertung gab es für Sanneke Rothenberger (75,158 / 77,158 und 79,0). Die 17-Jährige hatte sich in diesem Jahr vorzeitig in die höhere Altersklasse hochstufen lassen, nachdem sie in den vergangenen beiden Jahren zwei mal hintereinander Triple-Europameisterin geworden war. „Ich wollte mich nicht dem Druck aussetzen, noch einmal gewinnen zu müssen“, sagte sie. Mit ihren Silbermedaillen tritt sie in die Fußstapfen ihres Vaters, Mannschaftswelt- und -europameister Sven-Günter Rothenberger (Bad Homburg), der 1987 mit Eschnapur Vize-Europameister bei den Jungen Reitern war. Er musste damals nur der späteren Olympiasiegerin Nicole Uphoff den Vortritt lassen.
Lediglich die Bronzemedaillen gingen bei den Jungen Reitern außer Landes. In der Einzelwertung landete Danielle van Mierlo aus den Niederlanden mit BMC Ucento auf Platz drei (74,368), in der Kür machte Anna Kasprzak mit Blue Hors Future Cup mit Platz drei den dänischen Triumph perfekt (77,3). Auch für sie endet in diesem Jahr die Zeit als Junge Reiterin. Auf ihre Chancen im Seniorenlager angesprochen, antwortete sie vieldeutig: „Im nächsten Jahr vielleicht noch nicht, aber....“. Ihr letztes Junge-Reiter-Jahr und zugleich ihre erste EM bestritt in Kronberg auch Stella Charlott Roth. Ihr war als dritter deutscher Reiterin der Sprung ins Kürfinale gelungen. Die 20-Jährige, deren Großeltern aus Kronberg stammen, ist damit so etwas wie der „Shooting Star“ der Saison 2010. Zwar nahm sie schon früher an Deutschen Meisterschaften teil, doch erst mit Diva Royal gelang ihr der Durchbruch. Mit der achtjährigen Hannoveraner Stute, im vergangenen Herbst mit Roths Trainerin Dorothee Schneider Vierte im Finale des Nürnberger Burgpokals (übrigens hinter Fabienne Lütkemeier und D'Agostino, die Zweite wurden) landete Stella Charlott Roth auf Platz vier in der Einzelwertung (74,105), belegte in der Kür den sechsten Platz (74,050) und hat damit ihr Ziel „ins Finale zu kommen“ mehr als erreicht.
Zum dritten Mal in der Geschichte der Nachwuchs-Dressureuropameisterschaften war der Schafhof der Familie Linsenhoff in Kronberg Gastgeber des Championats. Bereits 1980 und 1986 trafen sich hier die jungen Dressurreiter aus ganz Europa zum Leistungsvergleich. „Es war eine Entscheidung der ganzen Familie, hier wieder Europameisterschaften auszutragen“, sagte Hausherrin und Mannschafts-Olympiasiegerin Ann-Kathrin Linsenhoff, der die Nachwuchsförderung ebenso am Herzen liegt wie ihrem Mann Klaus-Martin Rath, Mitglied der Arbeitsgruppe Nachwuchs im Dressurausschuss des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR). Zwei Jahre dauerte es von der Idee bis zur Realisierung. „Die freundlich-familiären Atmosphäre und die Gastfreundschaft hier auf dem Schafhof war wirklich beeindruckend“, sagte die Equipechefin Maria Schierhölter-Otte (Warendorf). „Das hat sich auch auf die Stimmung in der Mannschaft ausgewirkt. Es gab hier untereinander einen tollen Teamgeist, der sicher auch zu den unseren Erfolgen beigetragen hat.“


(Text: fn-press/Uta Helkenberg)