Aktuell

Klassisch versus anders – oder? Eine Stellungnahme.

In den letzten Wochen sind wir oft gefragt worden, was wir über die geplante Zusammenarbeit von Matthias Rath und Sjef Janssen denken. Wir versuchen, uns niemals aus der Ferne ein Urteil über andere Reiter zu bilden. Dennoch haben wir uns natürlich unsere Gedanken zu der Kontroverse gemacht, die nun wieder hochkocht:
Seit Jahren tobt in der Dressur der Grabenkampf zwischen den „Holländern“ und den „Deutschen“, und die klassisch orientierten Reiter verurteilen das holländische System – ohne es wirklich zu kennen. Als deutsch-niederländische Familie haben wir die Anführungszeichen bei den beiden Nationen ganz bewusst gesetzt, denn wir kennen beide Welten, und es ist nicht die eine schwarz und die andere weiß. Genau so wenig, wie man das Reiten nach den Richtlinien auf „vorne ziehen, hinten quetschen“ reduzieren darf, geht es bei den Niederländern hauptsächlich um das sogenannte „Low, Deep and Round“.
Wer die beiden Ausbildungswege wirklich vergleichen will, der muss nach ihren Zielen fragen – hier offenbart sich der fundamentale Unterschied, denn richtig gemacht, strebt der klassische Weg eine möglichst kooperative Partnerschaft zwischen Reiter und Pferd an, ein „weg von der Hand“. Die niederländische Reitmethode ist im Grundsatz simpler; hier geht es um die vollkommene Kontrolle über das Pferd mit Hilfe von Gas (Bein) und Bremse (Hand). Bei beiden Methoden gibt es strahlende und weniger strahlende Beispiele, gibt es Reiter, die wissen, was sie tun und warum – und solche, die nur nachäffen, ohne das Prinzip verstanden zu haben.
Was uns an der ganzen Diskussion stört, sind die verhärteten Fronten: „Wer anfangt aufzuhören, hört auf anzufangen“, ist einer von Svens Leitsätzen. Lange Jahre waren die deutschen Dressurreiter weltweit das Nonplusultra; wer im Ausland Ambitionen hatte, kam nach hier, um von den Besten zu lernen. Auch Gonnelien ist deshalb nach Deutschland gekommen – und geblieben. Deutschland  ist immer noch weltweit das einzige Land mit einer schriftlich festgelegten Reitlehre, die aus einem Jahrhunderte alten Erfahrungsschatz entstanden ist. Doch in den letzten zwei Jahrzehnten sind die anderen Nationen aus ihrer respektvollen Starre erwacht; sie haben angefangen, nicht nur das deutsche System zu kopieren, sondern auch, über den Tellerrand hinwegzublicken, während sich Deutschland auf seinen Lorbeeren ausruhte. Gerade in den Niederlanden fing man an, mit Verhaltensforschern zusammenzuarbeiten, sich das Mentaltraining zunutze zu machen und zu schauen, was man auch von anderen Sportarten lernen konnte. Diese Beweglichkeit im Kopf braucht der Reiter genau so wie das Wissen über die Skala der Ausbildung. Wer glaubt, er kann alles, wer glaubt, er weiß alles, der hat in der Tat den Anfang vom Ende erreicht, denn im Reitsport lernt man nie aus – weil jedes Pferd anders ist, jedes Paar anders zusammenpasst (oder auch nicht), weil es immer wieder neue Ideen gibt, die auszuprobieren sich lohnt. Wir stehen mit voller Überzeugung hinter der klassischen Reitlehre. Mit genau derselben Überzeugung halten wir aber auch die Augen offen, hören bei Lehrgängen genau zu, probieren wir neue Dinge aus – nicht, weil wir meinen, dass ab und zu ein neues „System“ her sollte. Aber weil wir glauben, dass unsere Pferde nur davon profitieren können, wenn wir immer wach und neugierig bleiben.